Betuwe-Gipfel 31.1.11.
Eindrücke und Schlussfolgerungen vom Betuwe-Gipfel am 31.1.11 in Dinslaken.
Günther Wagner
Massive Erpressung:
Hauptsächlich von den Vertretern der Bahn wurde immer wieder betont:
Ohne Baurecht für das dritte Gleis – kein Lärmschutz!
Ohne Baurecht für das dritte Gleis – keine verbindliche Finanzierungszusage!
Ohne Baurecht für das dritte Gleis – keine Bahnübergänge!
Und als besondere Dreistigkeit:
Ohne Baurecht für das dritte Gleis – keine Barrierefreiheit für die Bahnhöfe in Dinslaken und Sterkrade!
Jeder Bürger, jede Gemeinde, die sich berechtigterweise querstellen, haben den schwarzen Peter.
Ein besonderer Aspekt für den Druck und die Eile der Bahn bei der Planfeststellung ergab sich aus Äußerungen der Bundestagsabgeordneten :
Sowohl die Koalition als auch ein Antrag der Grünen will den 5 Dezibel Bahnbonus beim Lärm streichen – die Grenzwerte einzuhalten, wird dann für die Bahn überhaupt nicht mehr planbar sein!
Von den Bahnvertretern wurde auch eine eindeutige Zusage vermieden, dass die Blockverdichtung nur aktiviert wird, wenn Lärmschutz vorhanden ist. (Die Signalanlagen dafür sind ja zum großen Teil schon installiert.)
Sicherheit:
Die Vertreter der Bürgerinitiativen und die Bürgermeister haben betont, dass die Sicherheitsstandards so sein müssten wie bei den Niederländer und dass die Forderungen der Feuerwehren der Anliegergemeinden auf jeden Fall erfüllt werden müssten – ohne dass einer ausgesprochen hätte, das dies nur mit einer siedlungsfernen Trasse möglich ist!
Auf die Befürchtungen vom Podium und aus dem Saal, dass die Bahn im Vergleich zu den Niederlanden hier nur zweit- oder drittklassige Sicherheit realisieren wird, reagierte der Vertreter der Bahn äußerst empfindlich: Dies dürfe man auf keinen Fall sagen – die Niederlande haben doch einen ganz anderen rechtlichen Rahmen. Die Kesselwagen werden es registrieren, wenn sie über die Grenze gefahren werden ! Richtig ist, dass der rechtliche Rahmen anders ist: er reicht nur für drittklassige Sicherheit. Deshalb muss dieser rechtliche Rahmen dringend geändert werden!
Zeitrahmen für das 3.Gleis:
Die von der Bahn bereits eingereichten Planfeststellungsunterlagen für einzelne Abschnitte mussten zurückgezogen werden, weil die angenommenen Zugzahlen zu niedrig angesetzt waren.
Die Bahn versucht, bis 2013 Baurecht zu bekommen (siehe oben).
Das Land NRW will den zugesagten Landesanteil aus Regionalplanmitteln der EU finanzieren. Dabei müssen die Mittel bis 2019 ausgegeben sein. Um dies zu gewährleisten, wird überlegt, den Bundesanteil mit diesen Mitteln vorzufinanzieren. Das bedeutet aber, dass Bahn und Land davon ausgehen, dass bis 2019 der Ausbau der Strecke noch lange nicht fertig sein wird.
Reicht die Kapazität:
Für die Bahnvertreter anscheinend kein Problem – auch nicht 2025. Sie erklären, mit Blockverdichtung sind 293 Züge möglich, mit dem dritten Gleis 346. (Aus der relativ geringen Steigerung des 3. Gleises gegenüber der Blockverdichtung erklärt sich sicher die Herabstufung des Nutzenfaktors auf nur noch 1,2)
Aber aus der Versammlung wird darauf hingewiesen, dass Rotterdam den Hafen massiv ausbaut und zusätzlich den Anteil der Bahn bei Containern von 15% auf 30% ausweiten will.
Und es wird darauf verwiesen, dass die Städte in den Niederlanden darauf drängen, Gefahrgüter nur noch über die Betuwe zu transportieren, so das auch Gefahrgutverkehr nach Norden oder Westen von den Niederlanden verstärkt auf die Strecke von Emmerich nach Oberhausen geleitet wird.
Nahverkehr und lokaler Güterverkehr:
Sowohl die Vertreter der IHK als von PRO BAHN wiesen darauf hin, dass für den lokalen Güterverkehr der Firmen und Häfen am rechten Niederrhein und besonders für den Personennahverkehr mit zunehmenden Güterverkehr erhebliche Probleme drohen.
Spätestens 2013, wenn der Güterverkehr durch EU-Regelung auf dieser Strecke absoluten Vorrang bekommt, wird die Situation kippen.
Wenn dann auch noch der Verkehr durch eine Dauerbaustelle geführt werden muss, dann bleibt für den Personennahverkehr kein Spielraum mehr: 10 Jahre Schienenersatzverkehr und dazu eine Autobahn A3, die zwischen Wesel und Oberhausen jetzt schon jenseits ihrer Kapazität belastet ist. Und wenn das 3. Gleis fertig ist, reicht die Kapazität trotzdem nicht mehr für den Personenverkehr.
Rechtlicher Rahmen:
Nicht nur der Lärmbonus für die Bahn muss abgeschafft werden, es müssen für sie auch dieselben Sicherheitsstandards gelten, die jeder Industrie- oder Transportbetrieb einhalten muss.
Entscheidend aber ist, den absurden Bestandsschutz für die Bahn zu beenden! Der Vertreter der IHK hat zu recht darauf hingewiesen, dass an jeder Autobahn, bei der sich das Verkehrsvolumen steigert, auch der Lärmschutz angepasst werden muss. Die Bahn aber kann, gestützt auf Rechte aus der Kaiserzeit des Deutschen Reichs, nachts alle 10 Minuten Güterzüge durch die Städte jagen mit Lärmspitzen von 90 bis 100 Dezibel (dokumentiert durch die Messstationen der Städte) – ohne dass die Gemeinden oder Bürger dagegen eine rechtliche Handhabe hätten.
Die Bahn kann die gefährlichsten Güter mit hoher Geschwindigkeit (auch über defekte Schienen) 30 Meter an Schulen und Kindergärten vorbei transportieren – ohne Konsequenzen.
Die Bahn kann Bahnübergänge mit immer mehr Zügen blockieren und damit den querenden Auto-, Fahrrad- und Fußgängerverkehr behindern. Die Bahnübergänge – zum Teil Schulweg für hunderte Kinder jeden Alters – sind oft nur mit Halbschranken gesichert. Die Bahn tut das – ohne für eine Sicherung zu sorgen, obwohl die Halbschranken laufend missachtet werden und schon mindestens zwei Kinder an einem dieser Übergänge getötet wurden.
Die Verantwortung hierfür liegt in Berlin beim Bundestag. Hier hätten die MDBs von SPD, CDU und Grünen, die den Betuwe-Gipfel organisiert haben, Initiative ergreifen müssen. Sie haben sich aber zurückgehalten – obwohl sie den Schlüssel für die Verbesserung der Lage in der Hand halten.
Wenn die Sonderrechte der Bahn fallen, dann bricht auch dass Erpressungsszenario der Bahn zusammen, mit dem das unsinnige dritte Gleis durchgesetzt werden soll.
Dann muss die Bahn jetzt für Lärmschutz sorgen, muss jetzt die Gefahrenabwehr organisiert werden, müssen jetzt Bahnübergänge entschärft werden – denn die Züge kommen nicht erst in 10 Jahren, die Güterzüge, die Kesselwagen mit den Gefahrgütern fahren jetzt durch die Städte und Siedlungen.
Dafür wären die Regionalplanmittel der EU sehr gut investiert!